Weihnachten. Gott kommt auf die Erde.
25. Dezember 2020Gottesdienst 1. Sonntag nach Epiphanias
10. Januar 2021Liebe Gemeinde am nahen Ende des Jahres 2020, die englische Queen würde vielleicht sagen, am Ende eines „Annus horribile“, eines schrecklichen Jahres!
Übergänge geschehen meist unmerklich: Wann ist ein Mensch erwachsen? Freilich gibt es Stichtage für die sog. Volljährigkeit, aber das hat oft wenig mit wirklicher Reife und Erwachsensein zu tun. Wann wird aus dem Herbst Winter? Auch da haben wir ein fixes Datum 21-12. – aber das heißt noch lange nicht, dass der Winter nicht schon früher seine Boten ausschickt oder – wie nun zumeist bei uns – die herbstlich grauen Novembertage bis zur Weihnacht und darüber hinaus andauern können.
Übergänge geschehen meist unmerklich. Auch in zwischenmenschlichen Beziehungen. Wer kann schon so genau sagen, wann er den andern zu lieben begann und umgekehrt ebenso: Paare, die vor den Scherben ihrer Beziehung stehen, fragen sich: Wann hat das alles angefangen, warum haben wir nicht früher darauf geachtet?
Übergänge geschehen meist unmerklich. Vor einem Jahr hat wohl kaum einer unter uns daran gedacht, dass es in China ein neues Virus gibt.. und als es schließlich in Europa und auch bei uns in Tirol gelandet ist, war es für uns hier in OÖ auch noch sehr weit weg. Und plötzlich wurde es zum Thema Nr.1 des Jahres 2020.
Und doch und gerade darum misst der Mensch, im heurigen Jahr ganz besonders. Die Zeiten sind durch 1., 2. und 3. Lockdown gegliedert worden und die dazwischen liegende leichte Lockerung, wo wir dankbar waren wenigstens unsere lieben Verstorbenen in Würde bestatten zu können.
Selbst der kommende Altjahrstag wird in diesem Jahr kaum merkbar sein: Weder Lichtraketen werden in den Himmel geschossen noch große Feiern veranstaltet. Der Lockdown zieht sich über die Winterferien hin und irgendwann schreiben wir dann 2021.
Paul Gerhardt, der deutsche Pfarrer und Liederdichter des 17. Jahdts. stellte schon in seinem Neujahrslied lapidar fest:
Wir gehen dahin und wandern von einem Jahr zum andern.
1. Die Entscheidung
Die wenigen Verse, die ich eingangs gelesen habe, sind ein kleines Puzzleteilchen aus der bekannten Exodusgeschichte des Volkes Israel. Die Stämme lagern am Rande der Wüste. Die erste schwierige Etappe des Auszugs liegt hinter ihnen. Der Durchzug durch das Schilfmeer ist gelungen. Aber wie nun weiter? Übergänge, auch jene, die wir gar nicht so besonders merken, fordern stets zur Entscheidung heraus. Wüste? Was steht uns noch bevor? Woher nehmen wir Nahrung für unsere Kinder? Es sind genauso auch unsere Fragen. Wie geht es wirtschaftlich und kulturell mit uns weiter? Was wird unseren Kindern fehlen.. Wie werden wir unsere Pfarrgemeinden wieder aufbauen nach so langen Zeiten ohne öffentliche Gottesdienste?
Aber trotz all dieser Fragen ist den meisten klar: Es gibt kein Zurück. Wir müssen nach vorne schauen. Übergänge fordern zu Entscheidungen heraus. Das Leben geht weiter. Es muss nach vorne gelebt werden, auch wenn ich den Weg, der vor mir liegt, noch nicht kenne.
Im Musical Jesus Christ Superstar singen die Jünger:
Could we start again please?
Können wir noch einmal von vorn anfangen? Das wäre doch unser aller Wunsch im Blick auf das neue Jahr: Jetzt geht es weiter ohne Covid, jetzt fangen wir noch einmal neu an, so mühsam es auch sein mag.
Liebe Gemeinde: Die Übergänge geschehen meist unmerklich. Das Leben fließt. Noch einmal von vorne anfangen kann ich nur als die, die ich bin, mit meiner Geschichte, meinen Jahresringen, meinen Falten und Narben. Es wird also nie ein völliger Neuanfang sein, es ist immer bloß ein Übergang in eine neue Zukunft.
2. Die Zeichen der Gegenwart Gottes
Israel entscheidet sich für den Weg durch die Wüste. Es lernt zu vertrauen, es lernt sich dem anzuvertrauen, dessen Ruf sie gefolgt sind, mit aller Unsicherheit und all den offenen Fragen, die nicht von heute auf morgen beantwortet werden können. Aber allein sind sie nicht am Weg durch die Wüste. Gott geht mit. Jahwe, der Ewige, wird zum Immanuel, zum Gott-mit-uns. Zeichenhaft erfahren sie diese Wirklichkeit auf dem Wüstenweg, wohlgemerkt: nur auf diesem Weg. Die Zeichen Gottes – Wolke und Feuer – weisen in die Zukunft. Sie begleiten den Weg ins Unbekannte. Sie führen nicht zurück nach Ägypten, in die gar nicht so gute alte Zeit. Sie führen in eine neue Zeit, von der noch keiner genau weiß, wie sie aussehen wird. Sie leuchten freilich nur den nächsten Schritt aus (Fußes Leuchte). Dieser Lichtschein ist auch uns verheißen am Übergang zum neuen Jahr. Das ist kein Jahreshoroskop, nach dem ich meine persönlichen und beruflichen Pläne einrichten könnte. Es ist bloß ein Licht für den nächsten Morgen und das Versprechen: Ich bin mit dir. Mehr nicht, aber auch nicht weniger. Israel war es genug – zumindest damals. Maria, der Mutter Jesu war es genug und sie war bereit, Gottes Wille für sie geschehen zu lassen. Dietrich Bonhoeffer war es auch genug. Zur Silvesternacht 1944/45 schrieb er die bekannten Verse:
Gott ist mit uns am Abend und am Morgen und ganz gewiss an jedem neuen Tag.
Liebe Gemeinde! Vielleicht sind euch ja die beiden Zeichen Wolke und Feuer zu wenig.. wer kann schon wissen, wo Gottes verhüllte Gegenwart sichtbar wird und wo sein Feuerschein unter uns aufleuchtet? Aber das kleine Puzzleteil aus der Exodusgeschichte gibt uns noch einen zusätzlichen Hinweis: Auch wenn das Leben stets nur vorwärts gelebt werden kann, verstanden werden kann es immer nur im Nachhinein. Der Rückspiegel ist immer da. Die Erinnerungen steigen auf, manchmal ganz von selbst oder in unseren Träumen, und wohl uns, wenn es geheilte Erinnerungen sind. Vergiss nicht, mahnt uns der Psalmbeter, was Gott dir in der Vergangenheit schon Gutes getan hat. Vergiss die Wunder nicht, die auch in deinem Leben schon geschehen sind. Noch einmal Bonhoeffer:
Und willst du uns noch einmal Freude schenken an dieser Welt und ihrer Sonne Glanz, dann wollen wir des Vergangenen gedenken.
Vieles klärt sich erst im Nachhinein und kann erst dann verstanden werden.
Liebe Gemeinde! Die Übergänge geschehen unmerklich. In diesen Tagen, wo es neuerlich heißt sich zu beschränken, nehmt euch doch die Zeit, noch einmal in den Rückspiegel des vergangenen Jahres zu schauen. Vielleicht mit getrösteter Trauer aber auch mit Dankbarkeit für das Gute, das es ja auch enthalten hatte. Und lasst uns im Vertrauen unseren Weg ins neue Jahr gehen mit den Zeichen der segnenden und heilenden Gegenwart Gottes. Ich bin gewiss: Wir fallen nicht ins Bodenlose. Jede Wüstenzeit hat auch wieder einmal ein Ende. Wer sich dem mitgehenden Gott anvertraut, vor dem liegt das Land der Verheißung.
Fürbitten
Nun lasst uns gehen und treten mit Bitten und mit Beten zum Herrn, der unserm Leben bis hierher Kraft gegeben
Treuer Gott, wir kommen zu dir in den letzten Tagen dieses Jahres 2020. Wir danken dir für alles Gute, das du uns auch in diesem Jahr geschenkt hast und bitten zugleich: Bleibe bei uns, heute und morgen.
Durch so viel Angst und Plagen, durch Zittern und durch Zagen, durch Krieg und große Schrecken, die alle Welt bedecken
Du weißt es, himmlischer Vater, wieviel Menschen durch die Covid- und andere Krankheiten in Angst und Schrecken versetzt wurden. Du kennst sie alle mit Namen, die vielen Verstorbenen, auch aus unserer Gemeinde, um die wir ganz persönlich trauern. Wir vertrauen darauf, dass sie nun bei dir geborgen sind und hoffen auf deinen Trost für alle Leidtragenden.
Denn wie von treuen Müttern in schweren Ungewittern die Kindlein hier auf Erden mit Fleiß bewahret werden, also auch und nicht minder lässt Gott uns, seine Kinder, wenn Not und Trübsal blitzen in seinem Schoße sitzen.
Diese Bilder voller Vertrauen, deine verhüllte Gegenwart in Wolke und Feuer und die Geborgenheit wie im Schoß einer Mutter, darauf hoffen wir alle und darum gehen wir auch getrost über die Schwelle zum neuen jahr – geleitet und getragen von Dir, Immanuel, du Gott mit uns.
Foto: (c) Christian Fregnan via Unsplash