Tauferinnerungskurs 2022
12. März 20222022 – Jahr der Schöpfung
12. März 2022Gottesdienst 31.10.2021
Reformationstag Timelkam
Präludium
Eingangslied: „Ein feste Burg ist unser Gott“ 362, 1-3
Begrüßung:
Ich: „Der Herr sei mit Euch…“ (gesprochen)
Gemeinde: …und mit deinem Geist. (gesungen)
Ich:
Ein herzliches Grüß Gott heute am 22. Sonntag nach Trinitatis und gleichzeitig am Reformationstag.
„Einen andern Grund kann niemand legen außer dem, der gelegt ist, welcher ist Jesus Christus.“ (1. Kor 3,11) lautet unser Wochenspruch.
Wo komme ich her? Wo liegen meine Wurzeln? Welcher ist mein Grundstein? Am 31. Oktober besinnen wir evangelische Christen uns unserer Herkunft: Am Reformationstag feiern wir Bekenntnis- und Geburtstag der evangelischen Kirche zugleich.
An die Geschichte des hartnäckigen Mönchs Martin Luther, der 1517 seine 95 Thesen an der Wittenberger Schlosskirche anschlägt und damit ganz Europa in Aufruhr versetzt, erinnert dieser Tag – und an andere Reformatoren wie Philipp Melanchthon, Huldrych Zwingli und Jean Calvin. Sie waren keine Heilige, aber Menschen, die mit ihrer Standhaftigkeit, ihren brennenden Fragen nach Gott und ihrem mutigen Einstehen für ihren Glauben die Kirche tief geprägt haben.
So ruft der Reformationstag gleichzeitig zum freien und furchtlosen Bekenntnis, er erinnert an die Traditionen, auf die sich das evangelische Bekenntnis gründet, aber er fragt auch nach gegenwärtigen Missständen und nach der Kirche, die sich immer wieder reformieren muss.
Ich: „Wir feiern diesen Gottesdienst im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes.“
Gemeinde: Amen.
Ich:
Martin Luther verwendete eine Sprache, die uns manchmal recht kompliziert erscheint. Daher möchte ich heute die ersten 2 Strophen des schon gesungenen Liedes „Ein feste Burg ist unser Gott“ sprachlich ein bisschen aufbrechen. ……………… und ich lesen im Wechsel.
Alles soll immer easy und einfach gehen, sagt man,
aber im Leben da geht es nicht immer so leicht.
Ein feste Burg ist unser Gott, ein gute Wehr und Waffen.
Die letzten eineinhalb Jahre haben gezeigt,
dass unser Leben doch sehr zerbrechlich ist.
Er hilft uns frei aus aller Not,
die uns jetzt hat betroffen.
Es gibt nicht nur das Gute, Schöne.
Es gibt auch Krankheit, Versuchungen, Betrug, Machtgier, List.
Der alt böse Feind mit Ernst er`s jetzt meint;
groß Macht und viel List sein grausam Rüstung ist,
auf Erd ist nicht seinsgleichen.
Manchmal habe ich das Gefühl,
ich kann da gar nichts ausrichten.
Mit unserer Macht ist nichts getan,
wir sind gar bald verloren.
Doch gibt es nicht mehr als das, was wir sehen?
Ist da nicht jemand im Himmel der uns beisteht?
Es streit für uns der rechte Mann,
den Gott hat auserkoren.
Wer ist das der mir hilft?
Fragst du, wer der ist?
Er heißt Jesus Christ, der Herr Zebaoth,
und ist kein andrer Gott,
das Feld muss er behalten.
Lied 177.2 „Ehre sei dem Vater und dem Sohn“
Bußgebet:
Wir treten vor Gott und bitten um sein Erbarmen mit den Worten unseres Reformators Martin Luther.
(umdrehen zum Altar)
All mein Vermögen ist nichts, all meine Klugheit ist Blindheit und die größte Thorheit,
alle meine Frömmigkeit und Leben ist zur Hölle verdammt;
darum befehle ich mich deiner Gnade;
regiere mich nach deinem Geiste;
lass nur nichts in mir, dass ich mich selbst regiere;
halte mich in deinem Schosse.
Dies bekennen wir demütig vor Dir und bitten Dich Herr, erbarme dich unser.
Lied 178.11 „Herr, erbarme dich“
(umdrehen zur Gemeinde)
Gott erbarmt sich unser, so wie Paulus es schon den Ephesern gesagt hat:
Denn aus Gnade seid ihr gerettet durch Glauben, und das nicht aus euch: Gottes Gabe ist es, nicht aus Werken, damit sich nicht jemand rühme.
Lasst uns Gott lobsingen mit dem Gloria „Allein Gott in der Höh` sei Ehr!“
Lobpreis: Lied 179/1 „Allein Gott in der Höh`“
Tagesgebet: (umdrehen zu Jesus)
Gott, größer bist Du, als wir uns vorstellen können. Gnädiger bist Du, als wir uns und anderen zugestehen. Heute am Reformationstag bitten wir Dich um Mut, Deiner Gnade zu vertrauen.
Dir sei die Ehre in Zeit und Ewigkeit.
Dass bitten wir Dich durch Jesus Christus, Deinen Sohn, der mit Dir und dem Heiligen Geist lebt und regiert von Ewigkeit zu Ewigkeit.
Amen.
Gesungen: Amen
(Bibel nehmen)
Die Seligpreisungen
1 Als er aber das Volk sah, ging er auf einen Berg. Und er setzte sich, und seine Jünger traten zu ihm.
2 Und er tat seinen Mund auf, lehrte sie und sprach:
3 Selig sind, die da geistlich arm sind; denn ihrer ist das Himmelreich.
4 Selig sind, die da Leid tragen; denn sie sollen getröstet werden.
5 Selig sind die Sanftmütigen; denn sie werden das Erdreich besitzen.
6 Selig sind, die da hungert und dürstet nach der Gerechtigkeit; denn sie sollen satt werden.
7 Selig sind die Barmherzigen; denn sie werden Barmherzigkeit erlangen.
8 Selig sind, die reinen Herzens sind; denn sie werden Gott schauen.
9 Selig sind, die Frieden stiften; denn sie werden Gottes Kinder heißen.
10 Selig sind, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden; denn ihrer ist das Himmelreich.
11 Selig seid ihr, wenn euch die Menschen um meinetwillen schmähen und verfolgen und allerlei Böses gegen euch reden und dabei lügen.
12 Seid fröhlich und jubelt; es wird euch im Himmel reichlich belohnt werden. Denn ebenso haben sie verfolgt die Propheten, die vor euch gewesen sind.
Herr, Dein Wort ist meines Fußes Leuchte und ein Licht auf meinem Wege. Halleluja
Halleluja: Lied 576.1 (Bibel zurückbringen)
(zur Gemeinde drehen)
Ich: „Lasst uns nun gemeinsam unseren christlichen Glauben bekennen.“
(zurückdrehen)
Glaubensbekenntnis:
Ich glaube an Gott, den Vater,
den Allmächtigen,
den Schöpfer des Himmels und der Erde.
Und an Jesus Christus,
seinen eingeborenen Sohn, unsern Herrn,
empfangen durch den Heiligen Geist,
geboren von der Jungfrau Maria,
gelitten unter Pontius Pilatus,
gekreuzigt, gestorben und begraben,
hinabgestiegen in das Reich des Todes,
am dritten Tage auferstanden von den Toten,
aufgefahren in den Himmel;
er sitzt zur Rechten Gottes,
des allmächtigen Vaters;
von dort wird er kommen,
zu richten die Lebenden und die Toten.
Ich glaube an den Heiligen Geist,
die heilige christliche Kirche,
Gemeinschaft der Heiligen,
Vergebung der Sünden,
Auferstehung der Toten
und das ewige Leben.
Amen.
Lied: „Die ganze Welt hast du uns überlassen“ 360, 1-3
Predigt:
Liebe Gemeinde,
der Predigttext zum heutigen Reformationstag steht unter dem Titel „Lasst euch eure Freiheit nicht nehmen!“ bei Galater im 5.Kapitel die Verse 1 bis 6.
1 Christus hat uns befreit; er will, dass wir jetzt auch frei bleiben. Steht also fest und lasst euch nicht wieder ins Sklavenjoch einspannen!
2 Ich, Paulus, sage euch mit aller Deutlichkeit: Wenn ihr euch beschneiden lasst, dann wird Christus und alles, was er gebracht hat, für euch nutzlos sein.
3 Ich sage noch einmal mit Nachdruck jedem, der sich beschneiden lässt: Er verpflichtet sich damit, das ganze Gesetz zu befolgen.
4 Wenn ihr wirklich vor Gott als gerecht bestehen wollt, indem ihr das Gesetz befolgt, habt ihr euch von Christus losgesagt und die Gnade vertan.
5 Wir dagegen leben aus der Kraft des Heiligen Geistes und setzen alles auf Glauben und Vertrauen, und so erwarten wir das Ziel, auf das wir hoffen dürfen: dass wir vor Gott als gerecht bestehen und das Heil erlangen werden.
6 Wo Menschen mit Jesus Christus verbunden sind, zählt nicht, ob jemand beschnitten ist oder nicht. Es zählt nur der vertrauende Glaube, der sich in tätiger Liebe auswirkt.
Herr segne Hören und Reden.
»Diese Gedanken müssen auf Papier und dieses Papier muss in die Welt!« – Vielleicht war das einer der Gedanken, die Martin Luther durch den Kopf gingen, als er sich am 31. Oktober 1517 auf den Weg zu seiner Schlosskirche in Wittenberg machte. Ob ihm die Knie zitterten?
Ob er sich verstohlen umsah? Oder ging er forsch und zielstrebig und nagelte mutig das Schriftstück mit seinen 95 Thesen an die Tür der Schlosskirche?
Als ich vor vielen Jahren in Wittenberg war, versuchte ich mir vorzustellen, wie es wohl Luther vor 504 Jahren ging. Ich stand vor der Tür der Schlosskirche und konnte mir die Szene vor mein inneres Auge führen. Kein Problem.
Jedoch die große Bedeutung bleibt bis heute für mich ein Wunder. Martin Luther hat damals eine sehr mutige Tat begangen. Daher soll es uns nicht verärgern, dass wir Evangelischen hier in Österreich an diesem bedeutenden Gedenktag nicht offiziell frei haben. Heuer ist es ja eh ein Sonntag 😉. Besinnen wir uns lieber gemeinsam mit den evangelischen Christen weltweit an mutige Wege. Dieser Tag erinnert an die Männer und Frauen, die sich mit ihrem Mut für eine Erneuerung des christlichen Glaubens und der Kirche eingesetzt haben.
Dieser Tag könnte auch »Gedenktag der Mutigen« heißen, denn ohne Mut wären Luthers Glaubenseinsichten vermutlich in irgendeiner Schublade verstaubt. Mit seinem Mut aber haben sie den Weg in die Welt und in die Kirche gefunden und sie entstaubt.
Die Kirche entstauben – das war mit der einmaligen Aktion des Thesenanschlags nicht getan. Im Gegenteil. Damit ging es erst los. So, wie beim Frühjahrsputz die eigentliche Arbeit erst beginnt, wenn Eimer
und Putzfetzen bereitgestellt sind. Aber so viele Frühjahrsputze unser Haus schon hinter sich hat, in jedem Frühjahr stellt sich bei mir neu das Gefühl ein, wieder von vorn anfangen zu müssen.
Vielleicht ist es in der Kirche mit dem Reformationstag ähnlich. Er ist immer wieder begleitet von dem Gefühl, die Kirche oder auch die Gemeinde vor Ort bräuchte dringend eine Reformation: Wir müssten aufbrechen und
ausbrechen aus überkommenen Strukturen und Formen. Und wir bräuchten den Mut, das auch anzupacken. Den Mut zu haben uns die Freiheit zu nehmen, neue Wege zu gehen.
Tatsächlich gibt es ja hin und wieder so einen Erneuerungsschub
in der Kirche. Denken wir an die Zeit, es ist ja noch nicht lange her, als uns die Corona-Krise fest im Griff hatte, als plötzlich über viele Wochen keine Gottesdienste in den Kirchen gefeiert werden durften, nicht einmal am Karfreitag und zu Ostern. Wieviel Neues ist da über Nacht entstanden, wie viele gute Ideen waren plötzlich da, andere Übertragungswege für das Evangelium
zu finden!
Den Reformationstag als Feiertag zu begehen, heißt, die neu Bewegung, die von Wittenberg vor 504 Jahren ausging als eine Bewegung zu würdigen, die unsere Gesellschaft bis heute nachhaltig verändert hat. Und zwar nicht nur in religiöser Hinsicht.
„Christus hat uns befreit; er will, dass wir jetzt auch frei bleiben.“ Steht im heutigen Predigttext. Damit ist ein zentrales Thema der Reformation angesprochen. Es ist gut, das Thema „Freiheit“ im Rahmen der Reformationsfeierlichkeiten in Ruhe zu bedenken.
Ich möchte das in drei kleinen Abschnitten tun, die ich überschreibe mit: „Der Grund der Freiheit“, „Die Folgen der Freiheit“ und „Der Preis der Freiheit“.
Wer noch im Ohr hat, was in unserem Predigttext im Galaterbrief des Paulus steht, ahnt, dass wir dort Zeuginnen und Zeugen eines heftigen Konfliktes werden.
Der lässt sich ganz leicht nachvollziehen: Nachdem sich der Christusbewegung nicht nur Menschen anschlossen, die von Hause aus Juden waren, stellte sich die Frage, ob die ehemaligen Angehörigen anderer Kulte zunächst Juden werden müssten, um dann auch Christen sein zu können. Die Beschneidung als das zentrale Merkmal der Zugehörigkeit zum Judentum ist dabei nur beispielhaft für die Gesamtheit jüdischer Ritualgesetze, von denen es noch zahlreiche gibt: den arbeitsfreien Sabbat einhalten, die Speisevorschriften beachten und vieles andere mehr.
Mit der Einhaltung dieser Ritualgesetze verbindet sich die Idee, dadurch ein Gott wohlgefälliges Leben zu führen. Und das ist ja zunächst einmal etwas Schönes und Ehrenwertes. Schwierig wird es dort, wo Menschen die Erfahrung machen, diesen religiösen Regeln nicht gerecht werden zu können. Aus welchen Gründen auch immer. Zum Beispiel weil der innere Schweinehund manchmal viel stärker ist als alle guten Vorsätze. Das kennen wir.
Und dann arbeiten Menschen sich ab an ihrem religiösen Leistungszwang, mühen sich – und leben doch immer wieder mit dem Gefühl, dass es nicht genug ist. Wir wissen wahrscheinlich auch alle, wie streng dieser innere Richter sein kann, der immer wieder zuflüstert: Du bist nicht gut genug. Das reicht noch nicht. Du lebst immer noch nicht konsequent genug…
Das ist die Situation, die Jesus vor Augen hat, wenn er sagt: „Selig sind, die geistlich arm sind; denn ihrer ist das Himmelreich.“ Das ist die Situation, die Paulus vor Augen hat, wenn er schreibt: „Christus hat uns befreit; er will, dass wir jetzt auch frei bleiben. Steht also fest und lasst euch nicht wieder ins Sklavenjoch einspannen! Ich, Paulus, sage euch mit aller Deutlichkeit: Wenn ihr euch beschneiden lasst, dann wird Christus und alles, was er gebracht hat, für euch nutzlos sein. Ich sage noch einmal mit Nachdruck jedem, der sich beschneiden lässt: Er verpflichtet sich damit, das ganze Gesetz zu befolgen. Wenn ihr wirklich vor Gott als gerecht bestehen wollt, indem ihr das Gesetz befolgt, habt ihr euch von Christus losgesagt und die Gnade vertan.“
Paulus fordert die Leute in Galatien auf, sich zu entscheiden: Entweder müssen sie sich auf die Seite des Ritualgesetzes stellen. Dann müssen sie sich weiter mühen und sich der Gefahr aussetzen, sich zu Sklaven ihrer eigenen Ansprüche zu werden. Um letztlich daran zu scheitern. Oder sie vertrauen darauf, dass sie von Gott vorbehaltlos angenommen sind. Einfach so. Aus Liebe. So wie Jesus es den Menschen gezeigt hat.
Es ist eine Entscheidung, die Paulus da fordert. Die Freiheit des Menschen begründet sich für Paulus einzig und allein darin, dass Gott ihn freispricht. Ohne jedes Zutun und jede noch so fromm gemeinte Leistung.
„Christus hat uns befreit;“. Das ist der Grund der Freiheit. Und in einer Gesellschaft, in der Leistung in vielerlei Hinsicht den Ton angibt, sind wir gefordert, die bedingungslos geschenkte Freiheit immer wieder neu zur Sprache zu bringen.
Im Jahr 1520 veröffentlicht Martin Luther ein Büchlein über die Freiheit und schreibt: „Ein Christenmensch ist ein freier Herr über alle Dinge und niemandem untertan.“ Damit leite ich über zu meinem zweiten Abschnitt über die Folgen der Freiheit. Es ist für uns im Jahr 2021 gar nicht so leicht, nachzuvollziehen, welche Sprengkraft in diesem Satz steckt. Oder vielleicht doch, ein bisschen, nach den Coronaeinschränkungen der letzten Jahre?
Aber wer ein freier Herr ist, das war zu Luthers Zeit ziemlich genau vorgegeben. Auch, wer unfrei ist. Und das waren die meisten. Ob nun der Mönch Martin im Gegenüber zu den Oberen seines Ordens, ob nun der Bauer gegenüber seinem Herrn. Ich könnte die Liste schier endlos fortsetzen, denn letztlich war und ist doch fast jede und jeder gefangen in einem Netz von Abhängigkeiten und Verpflichtungen.
Hier zu behaupten, ein Christenmensch sei ein freier Herr über alle Dinge und niemandes Untertan, ist unerhört. Für Luthers Zeitgenossen allerdings klang es wie Musik in den Ohren. Aber wir ahnen, dass auch Luther mit seinem Verständnis von Freiheit einen Grundstein gelegt hat für das, was andere im Zeitalter der Aufklärung dann weiter ausführen konnten: Gewissensfreiheit, Meinungsfreiheit, Religionsfreiheit, Gleichheit, Gewaltenteilung. Hier ist der Grund gelegt.
Ohne Furcht, das wissen wir, stellt Luther sich allen Autoritäten seiner Zeit entgegen, religiösen ebenso wie weltlichen. Beruft sich in seiner Freiheit einzig und allein auf Christus und das von ihm in der Bibel überlieferte Zeugnis. Paulus wird ihm dabei zum Kronzeugen: „Christus hat uns befreit; er will, dass wir jetzt auch frei bleiben.“ Bleibt daher standhaft und lasst euch nicht wieder unter das Joch der Sklaverei zwingen! … Wenn ihr versucht, mit Hilfe des Gesetzes vor Gott gerecht dazustehen, habt ihr euch aus der Verbindung mit Christus gelöst, und euer Leben steht nicht mehr unter der Gnade.“
Auch das andere wissen wir: Dass Luther mit seinem Verständnis von Freiheit eine Lawine auslöste. Nicht nur, dass Mönche und Nonnen scharenweise ihren Klöstern entliefen. Nicht nur, dass Bildung zu einem erreichbaren Gut für viele wurde. Die armen Bauern beriefen sich auf Luthers Freiheit, als sie mit Spießen und Schwertern gegen ihre Herren marschierten. Im Namen der Freiheit floss viel Blut in jenen Tagen.
Luther schrieb: „Ein Christenmensch ist ein freier Herr über alle Dinge und niemandem untertan.“ Jedoch schrieb er auch: „Ein Christenmensch ist ein dienstbarer Knecht aller Dinge und jedermann untertan.“ Wow, welch ein Pessimismus! Es ist ja nicht etwa so, meint Luther, dass der Mensch in seiner Freiheit nun automatisch immer das Gute tut und sich immer weiterentwickelt, bis er wirklich „edel, hilfreich und gut“ ist. Keineswegs!
Auch Sigmund Freud hat vor circa 100 Jahren ziemlich gut beschrieben, wie sehr wir alle von Motiven angetrieben sind, die ganz und gar nicht immer edel, hilfreich und gut sind: Neid, nicht bearbeitete Ängste, Machtgier leiten uns viel mehr, als uns lieb ist. Und zwar unbewusst, ohne dass wir das merken würden.
Der alte Schweinehund kleidet sich sogar gern in edle Gewänder und kommt als Wohltäter daher, als jemand, der endlich für Ordnung sorgt oder was auch immer. Aber die Idee, der Mensch sei wirklich frei in seinem Handeln, ist eine Illusion. Sagt der Jude Sigmund Freud. Und Luther hat es – wenn auch mit anderen Worten – genau so gemeint. „Ein Christenmensch ist ein dienstbarer Knecht aller Dinge und jedermann untertan.“
Damit komme ich zu dem letzten Punkt, den ich angekündigt hatte: Der Preis der Freiheit. Denn dies sind eigentlich zwei Dinge: Daran zu glauben, dass ich mir die Freiheit durch keine Leistung und Anstrengung der Welt erarbeiten kann, sondern dass sie mir von Gott bedingungslos geschenkt ist. Das ist das eine. Das andere ist, dass diese Freiheit mich nun auch fordert. Insofern nämlich, als ich sie verantwortungsvoll gestalten muss.
Wer am 31. Oktober Gewissensfreiheit als eine Frucht der Reformation feiert, muss von seinem Gewissen auch ab und zu Gebrauch machen. Das heißt: Wer sich unabhängig macht von dem, was kirchliche oder weltliche Autoritären von außen vorgeben, muss sich fortan selbst fragen, was falsch oder richtig ist – und in Verantwortung vor Gott seine Entscheidungen treffen. Wer Freiheit so versteht, dass jeder aus dem Bauch heraus einfach machen kann was er will, hat von Luther noch nichts verstanden.
Das ist der Preis der Freiheit, dass sie jede und jeden einzelnen in die Pflicht nimmt. In unserem Predigttext haben wir es aus dem Galaterbrief so gehört: „Es zählt nur der vertrauende Glaube, der sich in tätiger Liebe auswirkt.“ Preis der Freiheit ist auch: Individualisierung, die allzu leicht egoistische Züge annimmt. Vereinzelung, die Menschen allein lässt. Pluralität, die wir nicht immer gut aushalten können. Auch bei uns in der evangelischen Kirche wird aufgrund der Vielzahl der Stimmen und Meinungen durchaus mal heftig gestritten.
Fünfhundert Jahre nach der Reformation leben wir von den Impulsen, die Martin Luther und viele mit und nach ihm in unsere Gesellschaft eingetragen haben. Ich habe es vorhin gesagt: Gewissensfreiheit, Meinungsfreiheit, Religionsfreiheit, Gleichheit, Gewaltenteilung. Das alles sind hohe Güter. Und sie sind es Wert, den Gedenktag der Reformation im Festtagskalender fest zu verankern. Was wir als Christen in diese Gesellschaft eintragen können, ist ein reflektiertes Verständnis von Freiheit, wie wir es von Luther ablesen können. Und das ist etwas anderes als manches, was sich heute „liberal“ nennt. „Christus hat uns befreit; er will, dass wir jetzt auch frei bleiben.“ Das ist die Botschaft dieses Tages. Diese Botschaft weiterzutragen, ist heute nicht weniger wichtig als zu Zeiten von Paulus oder Luther.
Amen.
Lied: „Die ganze Welt hast du uns überlassen“ 360, 4-6
Abkündigungen und Mitteilungen:
Friedensgruß = Kanzelsegen:
„Der Friede Gottes, welcher höher ist als die Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus.“
Gemeinde: Amen
Lied: „Alles ist an Gottes Segen“ 352, 1-3
Fürbitten: (Altar – zu Jesus)
Die Zeit die wir uns nehmen um fürbittend vor Gott zu treten, ist eine ganz wertvolle Zeit. Fürbitten können frei machen und entlasten. Daher wenden wir uns jetzt an unseren Vater mit unserem Gebet.
Dein Wort ist es,
barmherziger Gott.
Dein Wort ist es
und wir sind frei.
Mit deinem Wort
siegt die Zuversicht über die Angst.
In deinem Wort
ist die Hilfe näher als die Not.
Wir danken dir für dein Wort,
ewiger Gott.
Wir bitten dich für die Frauen und Männer,
die dein Wort weitersagen.
Wir bitten dich für die Unerschrockenen,
die auch in Gefahr an deinem Wort festhalten.
Wir bitten dich für die Menschen,
die nach deinem Wort fragen.
Sei du ihre Zuversicht.
Sei du ihre Stärke.
Wir danken dir für dein Wort,
barmherziger Gott.
Wir bitten dich für die Menschen,
die dein Wort ablehnen.
Wir bitten dich für die Menschen,
die sich in sich selbst verschließen.
Wir bitten dich für alle,
die die Welt zu einem guten Ort machen.
Befreie sie.
Beschütze sie.
Wir danken dir für dein Wort,
treuer Gott.
Wir bitten dich für die Kirchen,
in ihrer Freude an deinem Wort.
Wir bitten dich für die Kirchen
in ihrem Streiten und in ihrem Verlangen nach Einheit.
Wir bitten dich für uns
und unsere Sehnsucht, das richtige zu tun und zu sagen.
Wir bitten dich für uns und
unseren Glauben,
Dein Wort ist es,
barmherziger Gott.
Sprich zu uns,
du Schöpfer, Erlöser und Tröster.
Amen.
Gemeinsam beten wir wie Jesus uns gelehrt hat:
„Vater unser“:
Vater unser im Himmel
Geheiligt werde dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich
und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.
Segen:
Gott sei vor dir,
um dir den Weg
der Befreiung zu zeigen.
Gott sei hinter dir,
um dir den Rücken zu stärken
für den aufrechten Gang.
Gott sei neben dir,
eine gute Freundin
und ein guter Freund
an deiner Seite.
Gott sei um dich
wie ein schönes Tuch
und eine wärmende Wolldecke,
wenn Kälte dich blass macht
und Lieblosigkeit dich frieren lässt.
Gott sei in dir
und weite Dein Herz,
zu lieben
und für das Leben zu kämpfen.
Und so segne uns der Herr und behüte uns; Er lasse sein Angesicht leuchten über uns und sei uns gnädig; der Herr hebe sein Angesicht über uns und gebe uns Frieden.“
(4 Mose 6, 24-26)
Schlusslied: „Alles ist an Gottes Segen“ 352, 4-6
Postludium