JUNGSCHAR – WAS WAR LOS?
6. Dezember 2021Geistlicher Impuls – Wurzeln ausstrecken
12. März 2022Liebe Gemeinde!
„Seht auf und erhebt eure Häupter, weil sich eure Erlösung naht.“ 2. Advent.
„Schaut, Gott, die Macht über uns, kommt mit Kraft.“ 3. Advent.
Etwas kommt auf uns zu. Nein, einmal keine Bedrohung, keine Gefahr, nichts Unangenehmes. Nichts, wovor wir uns zurückziehen müssten, einsperren, verbergen, verkriechen. Keine dumpfe, düstere Zukunft. Nein. „Werde licht, denn dein Licht kommt“, steht beim Propheten Jesaja. Und: „Mache dich auf“ – öffne dich dem Licht, damit es in dir hell werden kann. Zum Versprechen einer guten Zukunft kommt auch die Aufforderung: Tu etwas. Zuerst einmal: Schau auf, heb deinen Kopf; und dann: Mache dich auf – öffne dich, und: beweg dich, geh dem Licht entgegen. Wir wissen natürlich, wer mit dem Licht gemeint ist.
Der Spruch für den 3. Advent fordert ein weiteres Tun: Bahnt für Gott einen Weg. Luther übersetzt: Bereitet dem HERRN den Weg. Jetzt kann ich euch zeigen, welche Bewandtnis es damit hat: Schaufel und Besen, das waren die wichtigsten Werkzeuge des Wegmachers. Dazu eine Scheibtruhe, eventuell noch ein Eisenrechen und ein Krampen. So habe ich das in meiner Erinnerung, Wegmacher gibt es heute nicht mehr. Außer uns vielleicht. Das Werkzeug stelle ich einmal zur Seite. Denn jetzt nehme ich den heutigen Predigttext zur Hand, 1. Korintherbrief 4, 1 – 5:
1 Dafür halte uns jedermann: für Diener Christi und Haushalter über Gottes Geheimnisse. 2 Nun fordert man nicht mehr von den Haushaltern, als dass sie für treu befunden werden. 3 Mir aber ist’s ein Geringes, dass ich von euch gerichtet werde oder von einem menschlichen Gericht; auch richte ich mich selbst nicht. 4 Ich bin mir zwar keiner Schuld bewusst, aber darin bin ich nicht gerechtfertigt; der Herr ist’s aber, der mich richtet. 5 Darum richtet nicht vor der Zeit, bis der Herr kommt, der auch ans Licht bringen wird, was im Finstern verborgen ist, und das Trachten der Herzen offenbar machen wird. Dann wird auch einem jeden von Gott Lob zuteilwerden.
Herr, segne unser Reden und Hören durch deinen Heiligen Geist. Amen.
Liebe Gemeinde, was hat das mit uns Wegmachern zu tun? Wie passt der Predigttext zum Advent? Das Wort „richten“ drängt sich beim Hören in den Vordergrund, viermal kommt es vor, mit Ge-richt sogar fünfmal, dazu „gerechtfertigt“ – Paulus geht’s ums Urteilen, Beurteilen, Verurteilen – er fühlt sich von den Korinthern, oder von vielen dort, falsch beurteilt. Auch wir kennen das, und das wurmt gewaltig. Paulus ist echt frustriert. Da reißt er sich die Haxen aus für das Evangelium – und die glauben alles Mögliche? Rennen Verbreitern von Fake News nach. Verweigern sich fundierten Informationen. Kommt euch das bekannt vor? – Die Gemeinde ist zersplittert in mehrere Glaubensrichtungen. So geht’s im Christentum anscheinend immer schon zu. Bis der Herr kommt, der auch ans Licht bringen wird, was im Finstern verborgen ist; da wird es adventlich im Text, Licht in der Finsternis, der kommende Herr. Gott, der ins Herz schaut. Und: einem jeden, einer jeden Lob aussprechen wird!
So weiß Paulus sich und uns einmal gerichtet, beurteilt! Ist das nicht eine großartige, ungemein ermutigende Botschaft – von Paulus, der sich als Haushalter über Gottes Geheimnisse vorstellt. Verantwortlich für Gottes Geheimnisse. Der „Haushalter“ ist uns heute genauso fern wie der Wegmacher. Ja, früher gab’s Haushälterinnen. Ich habe da viele Übersetzungen verglichen: die Basis-Bibel, die Zürcher und die Menge-Bibel schreiben „Verwalter von Gottes Geheimnissen“, die Gute Nachricht „Menschen, die Gottes Geheimnisse zu verwalten haben“, die BigS „uns ist die Verantwortung über die Geheimnisse Gottes anvertraut“ und die NGÜ, ähnlich, „Diener Christi, denen die Verkündigung der Geheimnisse Gottes anvertraut ist, die Gott uns enthüllt hat“. Es geht um Menschen, denen etwas anvertraut wurde, die für etwas verantwortlich sind: Geheimnisse, in die sie eingeweiht wurden.
Eines dieser Geheimnisse haben wir soeben gehört: Gott schaut ins Herz und spricht Anerkennung aus! Gott verurteilt nicht! Gott straft nicht!
Wenn wir die Bibel durchblättern, finden wir aber viele Aussagen über Gott, die ganz anders klingen. Unsere Gottheit ist grundsätzlich ein großes Geheimnis, das wir in diesseitigem Leben immer nur stückweise erfassen können, wie ein verschwommenes Bild in einem alten, blind gewordenen Spiegel, so schreibt der Apostel einmal. Jeder Mensch trägt ein anderes Bild in sich, eine Vorstellung, die sich im Laufe eines Lebens auch verändern kann.
Im Alten Testament selbst ist eine Entwicklung des Gottesverstehens erkennbar, von ganz archaischen Vorstellungen bis hin zu den wunderbaren Bildern des 23. Psalms oder beim Propheten Jesaja. Abraham hatte die furchtbare Idee, Gott wolle seinen einzigen Sohn als Opfergabe. In der Sodom & Gomorra-Geschichte lässt Gott mit sich handeln wie ein Basar-Krämer. Zur Zeit von Israels Land-Eroberung erleben wir einen Kriegsgott.
Und auch im Neuen Testament finden wir beileibe nicht überall den Friedensgott, die Liebesmacht. Die Bibel wurde ja nicht Wort für Wort diktiert, Gott hören wir nicht mit den Ohren. Sondern Gottes Geist wirkt in unserem Denken und Fühlen. Verstand und Gefühl sind wichtig für unseren Glauben. Nur so können wir in Gottes Geheimnisse eingeweiht werden – und mit der Bitte um Gottes Hilfe.
So erfahren die Menschen, was sie brauchen – in ihrer jeweiligen Situation. Nicht, was ihnen gerade in den Kram passt, wozu sie Gott ge-brauchen wollen. Darum ist verantwortungsvolles Verwalten der anvertrauten Geheimnisse nötig.
Wer waren, wer sind solche Verwalter? Zuerst einmal die Propheten. Wie Jesaja. Heute haben wir solche anvertrauten Geheimnisse gehört: Tröstet, tröstet mein Volk! – Schaut, Gott, die Macht über uns, kommt mit Kraft. Wie ein Hirte, eine Hirtin die Herde hütet, die Lämmer trägt, die Mutterschafe behutsam leitet. Das wunderbare Bild, das wir aus dem 23. Psalm kennen. Etwa 600 Jahre später sagt Jesus: „Ich bin der gute Hirte!“
Der letzte Prophet war Johannes der Täufer, er gehört auch zum heutigen Sonntag – in ihm wird die angekündigte Stimme verwirklicht gesehen, die ruft: „Bahnt einen Weg für Gott!“ Johannes war kein Tröster, sondern ein beinharter Bußprediger, ein Asket, hart zu sich selbst – und brutal in seinen Umkehr-Predigten: Ihr Otterngezücht, ihr Schlangenbrut – kehrt um von eurem falschen Tun – den unnützen Bäumen ist schon die Axt an die Wurzel gelegt.
Manchmal sind klare Worte notwendig. Verständnis, gutes Zureden nützen da wenig bis gar nichts. Als Lehrer war mir Liebe zu meinen Schülern und Schülerinnen wichtig, Überzeugung statt Zwang. Aber hin und wieder war Klartext notwendig. Manche brauchen eindeutige Grenzen. Schon aus Gründen der Gerechtigkeit – dass die Einsichtigen nicht die Dummen sind. Und damit die Uneinsichtigen nicht sehenden Auges (oder blind mit offenen Augen) in den Abgrund rennen.
Trotzdem – Zuspruch, Trost, Liebe sind wichtig. Im Glauben am wichtigsten. Jesus lebte das vor. Im 11. Kapitel lesen wir aber bei Matthäus: Mit wem soll ich dieses Geschlecht vergleichen? Es gleicht den Kindern, die auf dem Markt sitzen und den andern zurufen: Wir haben euch aufgespielt, und ihr wolltet nicht tanzen; wir haben Klagelieder gesungen, und ihr wolltet nicht weinen. Johannes ist gekommen, aß nicht und trank nicht; so sagen sie: Er ist besessen. Der Menschensohn ist gekommen, isst und trinkt; so sagen sie: Siehe, was ist dieser Mensch für ein Fresser und Weinsäufer, ein Freund der Zöllner und Sünder! Manche sind so naiv, so kindisch, dass weder Zureden noch Notsituationen wirken. Oder: dass sowohl die Drohbotschaft als auch die Frohbotschaft vergeblich sind. „Und doch“, sagt er, und doch wurde der Weisheit Recht gegeben durch das, was sie getan hat. Ein dunkles Wort, geheimnisvoll – eines der Geheimnisse Gottes: Die Weisheit, Gott, Mensch geworden in Jesus, ging den richtigen Weg, uns zur Rettung. Evangelium!
Darum: Tröstet. Redet herzlich. Verkündet Gott als die Liebesmacht. Mensch geworden in Jesus. Das ist zuerst die Aufgabe der Apostel. Nicht immer hören wir es so ungetrübt wie im Johannes-Evangelium und in den Johannes-Briefen. Manch Altes, Drohendes bestimmte die Vorstellungen auch noch im Neuen Testament.
Aber: „Zum Essen und Beten soll man neamd neten.“ Darum die Aufforderung an alle, denen heute Verkündigung anvertraut ist: Tröstet. Verbreitet Hoffnung. Wir alle.
Liebe Glaubensgeschwister, so wird ein Geheimnis offenbar: Wir können gar nicht leben, wenn wir nicht hoffen – vertrauen, dass wir Anteil haben an einem Heil, das auf uns zukommt, in unser Leben kommt, unserem Leben Sinn gibt. Aus dieser Hoffnung können wir Ja sagen zum Leben, sie gibt uns Freude am Leben. So wie eine Mutter gar nicht anders denken und fühlen kann, als dass ihr Kind in eine Geborgenheit hineingeboren ist, die es schützt und heilt und alles gut werden lässt. So kann ein Wort des Glaubens unser Leben weiten und gründen. Oft ohne dass wir es ganz verstehen. Wie ein Geheimnis. Und umgekehrt: Glaube wächst aus dem Leben selbst heraus, aus der Liebe zum Leben, aus der Freude am Leben. Also ein Wechselspiel. Ein Geheimnis Gottes. Auch in Schmerz und Trauer spüren wir diese Liebe zum Leben – und können so getröstet werden, Gottes Trost spüren. Und irgendwann, irgendwie, neue Geborgenheit.
Gottes Geheimnisse. Zum Weitergeben. Und zum Aufnehmen. Wir alle sind dafür verantwortlich, sind Beauftragte, Haushalter. Und Wegmacher.
Bereitet den Weg. Macht eine Bahn.
Liebe Gemeinde, das können wir. Fangen wir bei uns an, machen wir den Weg frei zu uns hinein, öffnen wir uns. Jeden Tag wird jetzt ein Türchen im Adventkalender aufgemacht. Das wichtigste ist die Tür in unser Herz – damit Gott einziehen kann und uns erfüllen kann – mit Glaube, Hoffnung und Liebe.
Amen