Predigt zum „Annus Horribile“
27. Dezember 2020Predigt vom 25. Dezember 2020, von Harry Muerth:
Es geschah in der Nacht vom 24. Auf den 25. Dez. 2020. Weihnachten. Gott kommt auf die Erde! Gott kommt auf die Erde.
Ich schlage die Zeitung vom 24.12.2020 auf. Schon die Titelzeile lässt mich stutzen: Corona-Virus endgültig ausgestorben WHO erklärt Pandemie als beendet.
Und auf Seite 2: Klimaziele 2020 mehr als erreicht! Ganz Europa seit dem Herbst 2020 klimaneutral.
Erstaunt lese ich den UN-Bericht: Hunger auf der ganzen Welt besiegt!
und lese weiter: WHO-Statistik ermittelt, dass 2020 niemand an Unterernährung gelitten hat. Endlich greifen die weltweit vereinbarten Maßnahmen der UN.
Ein weltumspannendes Bildungspaket, gerechte Entlohnung, ein kostenloses Gesundheitssystem und die Gewährleistung von Sicherheit und Frieden.
Auch in den ärmeren Ländern können Menschen wirtschaftlich auf eigenen Füßen stehen. Die Folgen: Flüchtlingsströme reißen ab und Bürgerkriege werden eingedämmt.
Ich denke, das kann doch gar nicht wahr sein … und blättere weiter: Krebs ist besiegt! Endlich gelang es Forschern, ein wirksames Medikament gegen Krebserkrankungen zu entwickeln.
Und im Lokalteil heißt es: 2020 haben alle Schülerinnen und Schüler ausgezeichnete Abschlüsse erreicht.
Und diese Nachricht würde ich mir auch noch wünschen: Kirchen jeden Sonntag so voll wie an Weihnachten!
Es geschah in der Nacht vom 24. Auf den 25. Dez. 2020.
Weihnachten. Gott kommt auf die Erde! Gott kommt auf die Erde.
Schön wär’s! höre ich Skeptiker sagen. „Alles blauäugige Augenauswischerei“ sagen die, für die Weihnachten nur noch das „Jahres-Endfest“ ist. Die dieses Fest der großen Hoffnung berauben und nur auf Konsumglück und Gänsebraten setzen. Gott ist schon lange nicht mehr aktuell. Weihnachten, in einem Jahr der Ausnahmezustände. Weihnachten, in Zeiten, die wir so noch nie erlebt haben, Weihnachten, in Zeiten, die herausfordern und Freude dahinschmelzen lassen.
Adventliche Vorfreude – wo war sie? Freude am Heiligen Abend – vorhanden? Friedefürst und Liebhaber des Lebens – was passiert gerade?
Wir sind Teilnehmer in einem Art Science-Fiction-Film, mit Menschen in futuristischen Schutzanzügen. Unwirklich erscheint so manche Szenerie, die uns täglich ins Wohnzimmer flimmert.
Und so manche Familie steht hilflos daneben, wenn das Virus zugeschlagen hat.
Weihnachten. Gott kommt auf die Erde! … Und vieles liegt in Trümmern …
Schon vor 2500 Jahren Jesaja sein großes Trotzdem: Jes. 52/7 – 10:
„Wie lieblich sind auf den Bergen die Füße der Freudenboten,
die da Frieden verkündigen, Gutes predigen, Heil verkündigen,
die da sagen zu Zion: Dein Gott ist König!
Deine Wächter rufen mit lauter Stimme und rühmen miteinander;
denn alle Augen werden es sehen, wenn der Herr nach Zion zurückkehrt.
Seid fröhlich und rühmet miteinander, ihr Trümmer Jerusalems;
denn der Herr hat sein Volk getröstet und Jerusalem erlöst.
Der Herr hat offenbart seinen heiligen Arm vor den Augen aller Völker, dass aller Welt Enden sehen das Heil unseres Gottes.“
Ich sehe ihn vor mir: diesen Freudenboten, wie er aus der Ferne, von der Stadtmauer aus sichtbar, gerannt kommt. Ja, er müsste rennen – denn mit einer Freudenbotschaft im Gepäck kommt man nicht gemächlich. Er kommt gerannt, um anzusagen, dass Gott kommt. Gott kommt nach langer Abwesenheit wieder nach Jerusalem zurück. So die Botschaft des Jesaja im Alten Testament.
Nach langer Zeit werden dann die Trümmer der Häuser wieder aufgebaut, in den Straßen wird statt Totenstille wieder Lachen und fröhliches Geplapper zu hören sein. Blumen werden duften statt übler Zerstörungsgerüche.
Und diese Botschaft lässt den Freudenboten rennen: Schnell muss er diese Nachricht weitersagen. Und so schnell ihn seine Füße tragen, eilt er nach Jerusalem, in die in Trümmern liegende Stadt.
Es geschah in der Nacht vom 24. Auf den 25. Dez. 2020.
Weihnachten. Gott kommt auf die Erde!
Siehst du den Freudenboten rennen? Er kommt. Er kommt auch heute zu uns. In dieser Heiligen Nacht. Nicht nur in unsere Weihnachtsstuben. Nein, du musst schon genauer hinschauen – man sieht nur mit dem Herzen gut! Und da kannst du ihn sehen. Den Freudenboten mit seiner Botschaft:
Gott kommt auf die Erde.
Und er kommt auch in die großen und kleinen Trümmer unseres Lebens – die ja nicht unterm Weihnachtsbaum einfach so verschwinden. Gott macht nicht nur eine kleine Freude; sondern eine große Freude.
Es wird vollkommenes Heil sein, Frieden und Trost wird sein. Aus den Trümmern wird die Stadt wieder aufgebaut – aus den Trümmern meines Lebens wird Neues werden.
„Fürchtet euch nicht, siehe ich verkündige euch große Freude.“
Verzeih, Herr, dass wir genau das vor lauter Unheilsnachrichten überhört, übersehen haben und beinahe vergessen hätten: Heil und Frieden wird verkündet, das allem Volk, allen Völkern, der gesamten Schöpfung versprochen ist. Dieses Heil liegt verborgen – und doch ganz offen – in der Krippe. In dem einen Namen liegt all unsere Hoffnung, unser Heil und die Zukunft.
Das ist Weihnachten, liebe Festgemeinde. Das erwarten wir.
Und wenn wir es alle erwarten, dann wird es auch schon ein Stück Wirklichkeit. Dann werden unsere Füße zu rennen beginnen und unsere Hände Taten der Nächstenliebe vollbringen. Dann werden wir in den kleinen Anfängen schon die Vorboten des großen Heils erkennen. Das und nicht weniger. Nicht nur warme Weihnachtsstuben für drei Tage. Nicht nur ein paar Stunden Liebe und Geborgenheit. Nein, wir erwarten mehr:
Wir erwarten Gottes Ankunft auf der Welt. Frieden, Heil und Trost.
Wir erwarten, dass sich das Licht und die Liebe dauerhaft und überall ausbreiten. Wir erwarten, dass es anders wird mit unserer Welt. Und dass die Füße des Freudenboten leichtfüßig rennen und sein Mund fröhlich berichtet von Gott, der auf die Erde kommt.
Und ich stelle mir vor, dass auch du angesteckt wirst von dieser Freude des Boten. Ich stelle mir vor, dass auch du leichtfüßig wirst und losrennen willst, weil du die Gute Nachricht in dir trägst und sie nicht für dich behalten kannst: Gott kommt auf die Erde.
Er ist zu uns gekommen in Fleisch und Blut; greifbar, spürbar. Alle Menschen werden seine Liebe erleben. Der Tod wird nicht mehr sein. Kein Leid wird mehr sein.
Und diese Leichtfüßigkeit und Freude ist so ansteckend und kraftspendend, dass sich schon hier und jetzt so vieles verändern kann: Viele kleine Schritte können das Gesicht der Welt verändern. Viele Hände und Füße können Großes bewirken. Und dann wird Weihnachten auf Erden sein. Niemand ist mehr allein, niemand ausgeschlossen, niemand traurig. Niemand leidet Not oder Schmerz. Gott kommt auf die Erde!
Seid fröhlich und jubelt miteinander, ihr Trümmer Jerusalems, denn der Herr hat sein Volk getröstet und Jerusalem erlöst.
Amen.